
Eröffnung der Opeltrasse © ADFC Bochum _ B.Klein
Bikes statt Bleche Neue Opeltrasse: Momentum ist da
Mit der Eröffnung am 8. Dezember 2025 erstrahlt in Bochum nach knapp zehnjähriger(!) Vorbereitung und einjähriger Bauphase die ehemalige Opel-Werkbahn in neuem Asphalt-Glanz: für Fußgänger:innen, Jogger:innen oder Radfahrer:innen und –pendler:innen.
Die Eröffnung und weitere bauliche Maßnahmen
Trotz widriger Witterungsbedingungen ließ es sich der Oberbürgermeister der Stadt Bochum, Jörg Lukat, nicht nehmen, mit dem Rad zum Treffpunkt der Eröffnungszeremonie zu fahren. Mit dem Durchschneiden des Eröffnungsbandes am Startpunkt Alte Wittener Str. übergab der OB gemeinsam mit Ronja Reyes-Henriquez (Vorsitzende des Umweltausschusses) sowie Dr. Peter Reinirkens (Vorsitzender des Mobilitätsausschusses) die Opeltrasse der Öffentlichkeit.
Einige Baumaßnahmen wie die Zuwegungen an einigen Straßen und vor allem die Brücke über die A 448, die bis dahin durch eine Umleitung umfahren werden muss, stehen noch aus. Ergänzend zu den genannten Maßnahmen sollte so schnell wie möglich eine durchgehende Beleuchtung der Trasse über die vorhandenen Leerrohre realisiert werden.
Die Vollendung des Trassenverlaufs mit einem Brückenbauwerk über die A 448 wird voraussichtlich in zwei Jahren erfolgen, da man hier die übergeordneten baulichen Belange der Straßen NRW in die Gesamtplanung miteinbeziehen muss. Der ADFC Bochum wird diesen Prozess aktiv begleiten, damit die derzeitige Umleitung kein Dauerzustand wird.
Eingebettet in das Radverkehrsnetz der Stadt Bochum begrüßt der ADFC Bochum ausdrücklich die neue Möglichkeit, die östlichen Stadtgebiete über einen gemeinsamen Rad- und Fußweg mit den südwestlichen Stadtgebieten zu verbinden. Zu beobachten wird sein, ob die bisher fehlende Trennung von Fuß- und Radweg durch Markierungen, für genügend Sicherheit sorgen kann.
Neben dem eigentlichen Radverkehr laden die weitläufigen, üppig bepflanzten Rastplätze sowie die Kunstskulpturen, hergestellt aus alten Bahnschienen, zum Verweilen und Wohlfühlen ein.
Wissenswertes über die Opeltrasse
Bahntrassen wie die ehemalige von Opel, die Bochum-Laer und Weitmar verbindet, bildeten die industriellen Lebensadern des Ruhrgebiets. Darüber wurde die Kohle für die Stahlindustrie geliefert, später auch Motoren oder Getriebe für die Autoproduktion. Heute sind hier keine Brammen oder Bleche, sondern Bikes unterwegs. Das Ballungsgebiet Ruhrgebiet verfügt so über das dichteste Radnetzwerk eines Ballungsgebiets in Deutschland - die Opeltrasse ist nun Teil dieser relativ jungen und einzigartigen Infrastruktur.
Die Bochumer nutzen nun fröhlich den über fünf Meter breiten Weg - und das immer an der Wand lang. Denn die Opel-Trasse läuft größtenteils parallel zur A448, begrenzt durch meterhohen Schallschutz bzw. vorbei am neuen DHL-Logistikzentrum am Rand des ehemaligen Opelgeländes. Man muss schon aus dem Pott kommen, um dem rauen Charme dieser Trasse zu erliegen.
„Einem Freiburger z.B., der am Rand der nahen Weinberge radelt, ist kaum zu vermitteln, was die Bochumer empfinden: ein wenig Stolz auf ihre `Hood` und Gefühle von sehr spezieller Industrieromantik. Sie machen hier ihren Feierabendspaziergang, führen den Hund aus oder sind auf Radtour an der - na ja - frischen Luft“, sagt Tourguide Burkhard Klein vom ADFC Bochum.
Die neue 4,4 Mio. Euro teure Strecke wurde bisher kaum wahrgenommen von einer breiteren Öffentlichkeit. Dabei steht sie für gelingenden Strukturwandel wie kaum ein anderes Projekt an der Ruhr. Entstanden ist ein Beispiel neuer Mobilität, das zu einer weit über die Grenzen NRWs hinausreichenden Erfolgsstory avancieren könnte. Vor allem bietet sie eine schnelle Verbindung zwischen Wohnort und Mark51°7 als dem Innovationsstandort im Ruhrgebiet.
Anbindung an neue Wohngebiete
Die vier Kilometer langeTrasse mit vielen Auf- und Abfahrten im Bochumer Südwesten (traditionelles Einzugsgebiet für Besserverdienende, also u.a. Beschäftigte von Mark51°7) macht den Fahrradsattel gegenüber dem Autositz attraktiv. Auch mehrere gerade neu entstehende nachhaltige Wohnquartiere wie die Havkenscheider Höhe (https://nrw-urban.de/projekte/bochum-quartier-havkenscheider-hoehe-im-ostpark/) sind Teil des Mobilitätskonzepts.
Die Anrainer der Opeltrasse testen tatsächlich bei Vergleichsrennen, ob sie mit Rad oder Auto schneller am Ziel sind. Klare Sieger: Die Drahtesel-Enthusiasten. „Es hat schon was, wenn ich zur Rushhour an den Staus vorbeiradle“, sagt ADFC Bochum-Beirat Burkard Klein.
Und er hebt hervor, dass mit der Opeltrasse ein Lückenschluss erreicht wurde, durch den man nun mit etwas Ortskenntnis von Duisburg-Wedau über ein fertiges Teilstück des Radschnellweg1 über Mülheim bis nach Essen radeln kann. Danach geht es weiter über den idyllischen Ruhrtalradweg, die Springorum- und Opeltrasse zum Emscherparkway, der bis zum Schiffshebewerk Henrichenburg am Rande des nördlichen Ruhrgebiets führt. „Das weiß kein Mensch, aber die 60 Kilometer-Strecke ist absolut beeindruckend. Und die neue Verbindung über die Opeltrasse kann dabei gar nicht überbewertet werden“, sagt er.
Radverkehr braucht Booster
Verkehrspolitisch könnte die Opel-Trasse Momentum aufbauen. Das ist auch nötig. Denn bisher ist der Radverkehrsanteil in Bochum und Umgebung überschaubar. Die jüngsten Zahlen aus einer repräsentativen Mobilitätsbefragung 2023 zeigen, dass der Radverkehr zwar zunimmt. Das aber doch eher verhalten. So stieg der Radanteil von 2018 bis 2023 stadtweit von 6,7 % (2018), auf 7,7% (2023). Zudem sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Stadtteilen beachtlich. Während in Bochums Mitte fast zwei Prozent mehr Radverkehr zu verzeichnen ist, ist der Radanteil im Süden gar nicht gewachsen und im Osten sogar um 1,6 Prozent gesunken (https://www.bochum.de/C125830C0042AB74/vwContentByKey/W2CRW8YQ151BOCMDE/$FILE/13_SrV2018_Bochum_5_Tabellen_Wattenscheid.pdf).
Diese Zahlen sind ernüchternd. Denn die Ziele sehen für 2030 einen Radanteil von 15 Prozent an allen Wegen in Bochum vor, perspektivisch werden 25 Prozent angestrebt. Klingt derzeit wie Wunschdenken.
Auch ein Blick auf Mark51°7 im Dezember 2025 zeigt: Der Wandel hat gerade erst angefangen. So dominieren und prägen neben den Büros und Entwicklungswerkstätten mehrere 5-Stöckige Parkhäuser das Bild. Dagegen wirkt die Zahl der Fahrradstellplätze geradezu bescheiden…
Nur Radwege lösen das Problem nicht
Aus verkehrswissenschaftlicher Perspektive ist klar, dass eine Verdopplung des Radverkehrsanteils in fünf Jahren nicht nur mehr und bessere Radwege braucht. Es muss auch an die Privilegien des privaten Autoverkehrs gehen. Vor allem ist das subventionierte Parken ein absolutes No-Go. In der Fachsprache sprich man hier von push and pull – Maßnahmen. Allein mehr Radwege reichen nicht aus: „Radabstellanlagen, Duschen am Arbeitsplatz und genügend Lademöglichkeiten für Pedelecs gehören dazu. So kann das Pendeln attraktiv werden“, sagt David Kohlrautz, Radverkehrsprofessor am Fachgebiet Verkehrswesen an der Hochschule Bochum.
Es bleibt also noch einiges zu tun. Da kommt die Opeltrasse gerade recht. Sie hat das Zeug, das Pedelec aus der Freizeitecke herauszuholen und zum Alltagsverkehrsmittel zu machen. Das die Trasse unter dem Radar lief, das dürfte sich schnell ändern. Denn die geschichtssträchtige Opeltrasse lädt offen ein: Nutzt die neuen Möglichkeiten! Fahrt sicher und schnell! Tut was für eure Gesundheit! Macht den Weg zur und von der Arbeit zum Entspannungsweg ohne Stau und Parkplatzsuche! So verringert sie die Autoabhängigkeit eines untergegangenen Auto-Standortes. Dazu bietet sie sogar die Verbindung zur – hoffentlich bald weiter vorankommenden – Hoffnungs- und Sehnsuchtsstrecke Radschnellweg 1 (RS 1).
„Ein Anfang ist gemacht für eine Zukunft, die zeigen wird, dass es anders und besser gehen kann“, sagt Burkhard Klein. Und zwar immer an der Wand lang.
Text: Dr. Weert Canzler (Mobilitätsforscher Wissenschaftszentrum Berlin, i.R.) Theo Düttmann (Chefredakteur „Wir im Sport“, i.R.), Burkhard Klein (ADFC Bochum)








