
Fahrradklimatest legt Nachholbedarf offen
Rund drei Monate vor der Kommunalwahl erhalten die politischen Entscheider:innen ein schlechtes Zeugnis für die Radfahrbedingungen in Bochum. Der Fahrradklimatest des ADFC legt den beträchtlichen Nachholbedarf bei der Infrastruktur offen.
Bochum unterdurchschnittlich
Die bundesweite Onlinebefragung ermöglicht auch den Vergleich zwischen Kommunen von ähnlicher Größe: Hier schneidet Bochum unterdurchschnittlich ab. Von 25 Vergleichskommunen mit einer Einwohnerzahl von 200.000 - 500.000 Einwohnern erreicht die Stadt lediglich Rang 15.
Die 27 Fragen des Tests werden in der Auswertung in fünf Gruppen zusammengefasst, die wir im Folgenden kurz vorstellen.
1. Fahrrad- und Verkehrsklima
Die Teilnehmer:innen benoten das Fahrrad- und Verkehrsklima mit einer glatten 4. Weder fühlt man sich als radfahrende Verkehrsteilnehmer:in im Straßenverkehr nennenswert akzeptiert und ernst genommen, noch wird die mediale Berichterstattung über das Fahrradfahren geschätzt.
2. Stellenwert des Radverkehrs
Die Schulnote 4,3 erhält der Stellenwert des Radverkehrs in Bochum. Während durchaus gewürdigt wird, dass jüngst etwas für den Radverkehr getan wurde (3,4), stößt die mangelnde Ahndung von Falschparkern auf Radwegen auf erhebliche Kritik (4,8). Auch die Ampelschaltungen und der Winterdienst auf Radwegen kommen nicht gut weg (je 4,6).
3. Sicherheit beim Radfahren
Auch der Fragenkomplex zur Sicherheit gefährdet - in Schulnoten ausgedrückt - mit einer 4,4 die Versetzung der Stadt Bochum: Das Sicherheitsgefühl ist grundsätzlich schlecht (4,6), was insbesondere Konflikten mit KFZ (4,7) geschuldet ist. Zügiges und sicheres Radfahren auf der Fahrbahn, also gemeinsam mit Autos, wird seitens der Teilnehmer:innen eher ausgeschlossen (4,6).
4. Komfort beim Radfahren
Mit einer Note von 4,5 erhalten die Fragen, die unter der Überschrift Komfort zusammengefasst werden, den knapp schlechtesten Wert. Insbesondere die Radwegeführung an Baustellen erfährt deutliche Kritik, wie aktuell am Husemannplatz in Bochum beispielhaft zu erleben ist.
5. Infrastruktur und Radverkehrsnetz
Mit einem Mittelwert von 3,2 fallen die Antworten auf Fragen zur Infrastruktur im Verhältnis eher positiv aus, wenngleich die wichtige Frage nach der zügigen Erreichbarkeit von Zielen (3,7) den Schnitt deutlich senkt. Besonders die Verfügbarkeit von Leihfahrrädern (2,5) wird offenbar geschätzt.
Kein Radwegenetz, sondern Flickenteppich
Die Kernaussage des ADFC-Fahrradklimatestes 2024 lässt sich so zusammenfassen: Bochum hat kein Radwegenetz, sondern einen Flickenteppich. Zwar gibt es Verbesserungen und sie werden gewürdigt, aber das Sicherheitsgefühl bleibt gering, die Konfliktintensität - gerade mit KFZ - hingegen hoch.
Das ergibt sich insbesondere aus den Freitextantworten der Befragung: Immer wieder wird gelobt, dass die Stadt an einzelnen Stellen immer bessere Radfahr-Anlagen errichtet. Immer wieder wird bemängelt, dass diese dann aber auf teilweise absurde Weise enden.
Der Verkehr wird vor die von hinten kommenden KFZ geführt, aus Radwegen werden Fußwege, die für Radfahrende freigegeben sind, die Spuren werden schmal, verlaufen direkt neben parkenden PKW, Abbiegemöglichkeiten oder die weitere Radverkehrsführung werden unklar kommuniziert.
Gerade auf Alltagswegen sind die Lücken und Mängel schmerzhaft auffällig. In Verbindung mit einer Infrastruktur, die immer wieder als „autofreundlich“ benannt wird, gehen die Konflikte stets zu Lasten der schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen.
Marek Nierychlo, Vorsitzender des ADFC Bochum:
„Das Gesamtergebnis des Fahrradklimatests 2024 darf der aufstrebenden Stadt Bochum mit hohen Ambitionen nicht genügen. Die Universitäts- und Wissensstadt muss sich an den Spitzenreitern dieser Gruppe, Münster, Freiburg und Karlsruhe, messen und von diesen Vorbildern lernen“
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Gerade vor der Kommunalwahl kommt es darauf an, die politischen Entscheider:innen der nächsten Wahlperiode auf den dringenden Verbesserungsbedarf hinzuweisen. Unsere Kampagne Mit dem Rad in die Stadt – aber sicher! bildet dafür den Auftakt.
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Der ADFC-Fahrradklimatest
Die Datenerhebung zum ADFC-Fahrradklima-Test 2024 erfolgte vom 1.9.2024 bis zum 3.12.2024. Deutschlandweit wurden Radfahrende gebeten, ihre Einschätzung zum Radverkehr in ihrer Stadt abzugeben. Insgesamt gingen 217.002 Interviews ein, von denen 212.818 Interviews ausgewertet werden konnten. In Bochum haben sich 1.366 Bürger:innen beteiligt. Gegenüber der Befragung von 2022 hat sich die Zahl der Teilnehmenden beinahe verdoppelt.